Information

Stadtarchiv wird digital und transparenter

Das Oberurseler Stadtarchiv der Zukunft: digital und noch transparenter

Seit einem Jahr, dem 1. Juni 2021, ist Sylvia Goldhammer Leiterin des Oberurseler Stadtarchivs. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Linda Rischar packt sie seitdem die großen Herausforderungen an. „Das Stadtarchiv ist das Gedächtnis und die historische Schriftgut- und Foto-Schatzkammer unserer Stadt. Alles, was hier liegt, ist von unschätzbarem Wert und muss für die Nachwelt erhalten bleiben.  In Zukunft wollen wir einen digitalen Katalog erstellen, um die Bestände online zugänglich zu machen und für Nutzerinnen und Nutzer eigenständige  Recherchen zu ermöglichen. Wir wollen die Digitalisierung der Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger vorantreiben, so können wir neue Gruppen erreichen und die Zugangsschwellen senken. Dazu gehören auch die Leistungen des Stadtarchivs“, erläutert Bürgermeisterin Antje Runge.     

„Die Bewahrung von historisch interessanten Unterlagen und die Vermittlung von Geschichte sind mir ein Herzensanliegen. Was in Oberursel ansteht, kenne ich vom Ergebnis her bereits. Archive stehen mit einem Bein in der Verwaltung und mit dem anderen in der Kultur. Beide Bereiche müssen in der Balance sein. Von meinem Selbstverständnis sehe ich mich als Informationsvermittlerin. Archive stehen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie müssen transparent sein. Nutzerinnen und Nutzer sollen wissen, was im Archiv liegt und selbst recherchieren können. Das sehe ich aktuell als die wichtigsten Aufgaben“, so Sylvia Goldhammer.  

Das Stadtarchiv

Das Stadtarchiv gehört zum Geschäftsbereich „Kultur und Gesellschaft“ der Stadtverwaltung Oberursel und ist in der Abteilung „Stadtgeschichte, Tourismus und Internationales“ verortet.

In den Magazinräumen finden sich ca. 750 laufende Meter Unterlagen zur Geschichte der Stadt Oberursel und der eingemeindeten Ortsteile Bommersheim (1929), Oberstedten (1972), Stierstadt (1972) und Weißkirchen (1972). Neben den Beständen, die aus der Verwaltungstätigkeit der Stadt Oberursel entstanden sind, sammelt das Stadtarchiv auch Unterlagen anderer Herkunft, z. B. von Privatpersonen, Vereinen oder Firmen. Außerdem sind verschiedene Sammlungen, wie Fotografien, Postkarten, Stadtpläne, Zeitungsausschnitte, Museales und Plakate vorhanden.

Eine spezielle Sammlung enthält die Oberurseler Drucke, die sogenannten „Ursellis-Drucke“, aus der zwischen 1557-1623 bestehenden Druckerei des Nicolaus Henricus (1557-1597) und seinem Nachfolger Cornelius Sutorius (1598-1606). Diese Werkstatt ist aus der Frankfurter Druckerei  Peter Braubach hervorgegangen, um ein Verbot des Frankfurter Rats über den Druck orthodoxer lutherischer Schriften zu umgehen.

Es steht außerdem eine Bibliothek mit ca. 12.000 Titeln zur allgemeinen, Regional- und Lokalgeschichte sowie ein umfangreicher Zeitungsbestand mit zum Teil seltenen Oberurseler Lokalzeitungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts zur Verfügung.

Bisheriger Stand – Wo geht die Reise hin?

Die bisherige Erschließung ist über Karteikarten und Bestandslisten erfolgt, die teils handschriftlich, teils digital vorliegen. Auch der Bibliothekskatalog ist über Karteikarten erschlossen. Eine Beständeübersicht fehlt.

Das Archiv wird jetzt neu aufgestellt, es soll transparenter und vor allem digitaler, die Zugänglichkeit der Bestände verbessert werden.

In einem ersten Schritt wurde die Homepage des Stadtarchivs mit neuen Inhalten gefüllt, die den Benutzerinnen und Benutzern eine vorläufige Beständeübersicht geben sowie Informationen über die Archivnutzung, Literatur und Recherche-möglichkeiten, zur Geschichte Oberursels, aber auch zu den Themen Familienforschung und Erbenermittlung geben. Weitere Inhalte sollen folgen.

Außerdem wurde im Lesesaal für die rund 500 Mikrofilme ein moderner Mikrofilmscanner angeschafft und ein Internetzugang für die Benutzerinnen und Benutzer eingerichtet.

Digitalisierung hat viele Gesichter. Vordringliche Aufgabe ist die Einführung einer Archivierungs­software für die Erschließung der Archivbestände. Dafür hat sich das Stadtarchiv mittlerweile über das Hessische Landesarchiv dem Archivinfor-mationssystem Arcinsys angeschlossen. Zur Zeit werden die Funktionen getestet und das städtische Schriftgut vor 1945 erfasst. Geplant ist, den Oberurseler Zugang bis Ende des Jahres freischalten zu können. Der erste Bestand wäre dann in einem Pool von bislang rund neun Millionen Datensätzen von ca. 60 Archiven recherchierbar. Weitere Bestände sollen sukzessive folgen.

In einem modernen Archivinformationssystem werden die Archivalien mit inhaltlichen und formalen Angaben erschlossen. Es geht hier nicht um die Digitalisierung von Akten, sondern um die Bereitstellung der Aktentitel in einer digitalen Erschließungssoftware. Es können aber Digitalisate (Endprodukte einer Digitalisierung, beispielsweise Fotos/Karten etc.) an die Verzeichnung eingebunden werden. Das wird für einzelne Bestände auch geschehen.

Auch der Bibliothekskatalog soll mit einer Bibliothekssoftware erfasst werden. Für kleinere Archive, wie das Stadtarchiv Oberursel, wird auch hier der Anschluss an ein größeres Bibliothekssystem angestrebt.

Außerdem wird an verschiedene Digita-lisierungsprojekte, also die Digitalisierung einzelner Bestände gedacht, z. B. von seltenen und von Zerfall bedrohten Zeitungen, Karten und Plänen oder Fotografien. Es gibt Bestände im Stadtarchiv, die für eine Volldigitalisierung sinnvoll sind und für die der Kosten- und Personalaufwand durch ein größeres Nutzerbedürfnis gerechtfertigt ist.

Geplant ist weiterhin die Anschaffung eines Archivaufsichtsscanners, so dass im Rahmen von Benutzeraufträgen konservatorisch schonend Repros von Archivalien angefertigt und kleinere Bestände selbst digitalisiert werden können – bislang gibt es nur einen klassischen A4-Fotokopierer.

Eine weitere Herausforderung für das Stadtarchiv ist die elektronische Aktenführung, die die Stadt Oberursel derzeit sukzessive für die Verwaltung einführt. Die Historikerinnen und Historiker der Zukunft werden in elektronischen Akten recherchieren. Dafür muss ein digitales Langzeitarchiv eingerichtet werden.

Im archivischen Sinn bedeutet Langzeitarchivierung, dass archivwürdige Daten dauerhaft für das „bloße Auge“ lesbar bleiben. Es muss jederzeit die Authentizität und Integrität der Daten gewährleistet sein. Zur Zeit gibt es bei der Stadt noch keine Möglichkeit dafür. Der Zeitpunkt ist jetzt noch zu früh, muss aber schon bedacht werden. Für das Stadtarchiv Oberursel ist auch hier über das Hessische Landesarchiv die Verbundlösung mit dem digitalen Magazin (DIMAG) sinnvoll. Das ist aber noch Zukunftsmusik.

Raumbedarf

Die Platzreserven im Stadtarchiv sind nahezu erschöpft und zeitnah muss eine Lösung gefunden werden, denn das Papierzeitalter ist noch nicht zu Ende. Das Stadtarchiv kann aktuell nur noch kleine Mengen übernehmen.

Vita Sylvia Goldhammer

Nach dem Abitur absolvierte Sylvia Goldhammer von 1989-1992 eine Ausbildung und ihr Studium zur Diplom-Archivarin im gehobenen Archivdienst am Stadtarchiv Frankfurt, heute Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, und an der FH für Archivwesen in Marburg. Danach übernahm sie 1992 das neu eingerichtete Sachgebiet Frankfurter Wirtschaftsarchiv. Dabei hatte sie es vor allem mit privatem Schriftgut von Frankfurter Unternehmen zu tun. Nach einigen Jahren Berufstätigkeit ging sie in Teilzeit und begann zusätzlich ein Hochschulstudium in Geschichte, Anglistik und Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Rechtsgeschichte, das sie 2010 abschloss. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in den archivischen Kernaufgaben. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war die Beschäftigung mit archiv- und urheberrechtlichen Fragestellungen. Die Einführung und den Wechsel von Archivierungssoftware hat sie in der Mitarbeit in Arbeitsgruppen aktiv begleitet. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit hat sie in  Vorträgen und Beiträgen einem breiten Publikum historische und fachliche Themen näher gebracht.

 

Antje Runge

Bürgermeisterin