Eröffnung der Wanderausstellung #StolenMemory in Oberursel – Berührende Zeugnisse gestohlener Erinnerungen im Herzen der Stadt  


Mit einer eindrucksvollen Eröffnung wurde am 28. August 2025 die Wanderausstellung #StolenMemory der Arolsen Archives in der Adenauerallee in Oberursel eröffnet. Die Open-Air-Ausstellung, untergebracht in einem auffaltbaren Übersee-Container, macht bis zum 17. September Station in Oberursel und rückt persönliche Gegenstände ehemaliger KZ-Häftlinge – sogenannte „Effekten“ – in den Fokus. Mit einer großen Mehrheit von 42 Ja-Stimmen gegenüber zwei Enthaltungen hatte am 26. September 2024 die Oberurseler Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dass die Ausstellung auch in der Brunnenstadt Station machen wird.

Gemeinsam mit Lilith Roska von den Arolsen Archives eröffnete Bürgermeisterin Antje Runge die Ausstellung und dankte allen Beteiligten, insbesondere den Stadtverordneten, die mit einem offiziellen Beschluss den Weg für die Präsentation der Ausstellung in Oberursel freigemacht hatten.

 

Erinnerungsarbeit mitten in der Stadtgesellschaft

In ihrer Rede betonte Bürgermeisterin Runge die Wichtigkeit, Erinnerungskultur nicht nur museal, sondern im öffentlichen Raum erlebbar zu machen: „Wir schreiben das Jahr 2025 – 80 Jahre nach dem Ende des nationalsozialistischen Terrors. Und doch ist die Vergangenheit nicht vergangen. Traumata und Verluste wirken bis heute nach – in den Familien der Opfer, in unserer Gesellschaft, in unserem kollektiven Gedächtnis. Die Ausstellung #StolenMemory bringt uns in unmittelbare Berührung mit persönlichen Geschichten und individuellen Schicksalen. Sie zeigt uns, wie grausam die systematische Entmenschlichung war – und sie erinnert uns daran, wie stark Erinnerung sein kann: stärker als das Vergessen, stärker als das Verdrängen.“

Die Ausstellung stellt das Schicksal von zehn NS-Verfolgten exemplarisch vor und zeigt Fotos von Gegenständen, die KZ-Häftlingen bei ihrer Ankunft von den Nationalsozialisten abgenommen wurden – darunter Eheringe, Uhren, Brieftaschen oder Füller. Manche dieser Gegenstände konnten im Rahmen der #StolenMemory-Kampagne bereits an über 1.000 Familien zurückgegeben werden. Rund 2.000 Effekten warten noch auf ihre Rückgabe.

 

Ein Appell gegen das Vergessen – und für die Zukunft der Demokratie

Mit Blick auf die gesellschaftliche Relevanz der Ausstellung stellte Bürgermeisterin Antje Runge die untrennbare Verbindung zwischen Erinnerungskultur und demokratischem Bewusstsein in den Mittelpunkt: „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist verletzlich, sie ist angreifbar – und sie braucht unsere tägliche Aufmerksamkeit. Die Geschichten hinter den Effekten in dieser Ausstellung zeigen, wohin es führt, wenn Menschen entrechtet, ausgegrenzt und entmenschlicht werden. Wenn staatliche Gewalt sich gegen die eigene Bevölkerung richtet. Erinnerungskultur ist daher kein Rückblick – sie ist eine Mahnung für die Gegenwart und eine Verpflichtung für die Zukunft. Wenn wir heute die Stimmen der Opfer hörbar machen, dann tun wir das nicht nur für sie, sondern auch für uns – weil wir begreifen, wie wertvoll Freiheit, Würde und Menschenrechte sind. Demokratie muss immer wieder neu verteidigt werden – mit Haltung, mit Bildung, mit Erinnerung.“

 

Persönlicher Zugang durch Videoporträts und Mitmach-Möglichkeiten

Die Ausstellung richtet sich bewusst nicht nur an historisch interessierte Besucher*innen, sondern auch an zufällig Vorbeikommende. Über QR-Codes können mit dem Smartphone Videoporträts aufgerufen werden, in denen Angehörige der Opfer selbst erzählen, was die Rückgabe der persönlichen Gegenstände für sie bedeutet.

Zudem lädt die Ausstellung unter dem Abschnitt „Gesucht“ dazu ein, sich selbst an der Rückgabe der Effekten zu beteiligen. Viele Angehörige wissen bis heute nichts über das Schicksal ihrer Familienmitglieder in der NS-Zeit. Die Arolsen Archives rufen deshalb aktiv zur Mithilfe auf: Jede*r kann zur Spurensuche beitragen.

 

Oberursel als engagierter Erinnerungsort

Bürgermeisterin Runge verwies in ihrer Rede auch auf das vielfältige lokale Engagement zur Erinnerungskultur in Oberursel: „Die Geschichte der Verfolgung hat auch in unserer Stadt Spuren hinterlassen. Wir haben ein Mahnmal, das aus der Mitte der Bürgerschaft entstanden ist. Wir setzen mit Stolpersteinen und Kunstwerken wie dem Stromkasten auf dem Marktplatz sichtbare Zeichen. Und wir erinnern an alle Opfergruppen – zuletzt mit einer Veranstaltung zum Antiziganismus. Die Ausstellung #StolenMemory fügt sich in diese wichtige Arbeit ein.“

 

Hintergrund zur Kampagne und zur Ausstellung

Die Ausstellung ist Teil der internationalen Kampagne #StolenMemory, die im Jahr 2016 von den Arolsen Archives ins Leben gerufen wurde. Die Arolsen Archives mit Sitz in Bad Arolsen gelten als weltweit zentrales Dokumentationszentrum über die NS-Verfolgung.

Seit dem Jahr 2020 reist die Ausstellung mit vier mobilen Containern durch Deutschland sowie derzeit auch durch Frankreich und Polen. Finanziert wird das Projekt vom Auswärtigen Amt und durch eine Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Begleitend zur Ausstellung bietet die Internetseite www.stolenmemory.org informative Kurzfilme, Biografien sowie pädagogisches Material zur kostenlosen Nutzung, insbesondere für Schulklassen und Bildungsinstitutionen. Das Online-Angebot wurde im Jahr 2021 mit dem Grimme Online Award in der Kategorie „Wissen und Bildung“ ausgezeichnet.

 

Öffnungszeiten und Besuch

Die Ausstellung #StolenMemory ist in Oberursel (Taunus) vom 29. August bis zum 17. September 2025, täglich von 10 bis 18 Uhr in der Adenauerallee geöffnet. Der Besuch ist kostenfrei.

 

Antje Runge

Bürgermeisterin


Foto Bildnachweis: Stadt Oberursel

Zu sehen sind die Mitarbeiterin der Arolsen Archives Lilith Roska  (links) und Bürgermeisterin Antje Runge während beide gemeinsam die Wandtür des Containers am Ausstellungsorts im Grünstreifen an der Adenauerallee öffnen.