Orte der Erinnerung: Drei weitere „Stolpersteine“ in Oberursel verlegt


Am Mittwoch, 1. November 2023, verlegten Schüler­innen und Schüler der Feldbergschule gemeinsam mit Bürgermeisterin Antje Runge und der Gesell­schaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hochtaunus e. V. (GCJZ) in Oberursel drei neue Stol­persteine für Paul Katzenstein in der Lindenstraße 4, für Theodor Creizenach in der Austraße 1 und für Jacob Rexroth in der Erich-Ollenhauer-Straße 44.  

Mit dem Projekt „Stolpersteine“ wird an die Opfer der NS-Diktatur erinnert, indem vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort Gedenksteine aus Messing in die Gehwege eingelassen werden. Zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger und Anwohnende fanden sich während der Veranstaltung ein, um gemeinsam der Oberurselerinnen und Oberurseler zu gedenken, die verfolgt, verschleppt und ermordet wurden. Sie dankten auch den Schülerinnen und Schülern der Arbeitsgemeinschaft, die von Maria Schulz und Jens Kornmüller geleitet wird, für ihr beständiges Engagement gegen das Vergessen und ihr Eintreten für demokratische Werte. Das Projekt Stolpersteine ist ein wesentlicher Bestandteil der Erinnerungskultur der Stadt Oberursel (Taunus).

„Dank der Zusammenarbeit und des Engagements aller Beteiligten ist das Projekt Stolpersteine durch unsere Stadtgesellschaft getragen. Die Vergangen­heit wird sichtbar in der Gegenwart und mahnt für die Zukunft. Angesichts der Weltlage, die von vielen kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt ist und antisemitische Tendenzen zu beobachten sind, kommt unserer Erinnerungskultur eine noch größere Bedeutung zu. Gewalt, Hass und Extremismus können niemals eine Lösung für Konflikte sein“, so Bürgermeisterin Antje Runge.

Mit dem 9. November 1938, der sich dieses Jahr zum 85. Mal jährt, begann die systematische Vertreibung und Vernichtung des europäischen Judentums, aber auch anderer Gruppen wie Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im National­sozialismus. Auch in Oberursel wurden jüdische Mitbür­gerinnen und Mitbürger verhaftet, misshandelt und deportiert. Für Oberursel als Stadt ist es besonders wichtig, die junge Generation in die Erinnerungs­kultur einzubeziehen.

Die Historikerin und Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hochtaunus
e. V., Angelika Rieber, hat die einzelnen Schicksale erforscht und erläuterte bei der Verlegung die Familiengeschichten der Opfer. Paul Katzenstein lebte drei Jahre in Oberursel und floh bereits kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 mit seiner Ehefrau nach Belgien. Auch dort war er nicht vor den Verfolgungen sicher, wurde 1943 verhaftet und nach Auschwitz deportiert, wo er am 12. August 1944 starb.

Theodor Creizenach trug den gleichen Namen wie sein Großvater, der ein bekannter Goethe- und Dante-Forscher war. Der 1896 geborene Creizenach studierte Geschichte, Deutsch und Philosophie und promovierte 1928. 1933 erhielt er Berufsverbot und wurde am 24.06.1939 verhaftet und ins Polizei­gefängnis in Frankfurt gebracht. Dort wurde er kurz später erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Eine Verwandte von Theodor Creizenach, Katharina Stadelmann-Nichtern, nahm ebenfalls an der Verlegung teil. Die Patenschaft für den Stolperstein hat Prof. em. Liselotte Bieback-Diel übernommen, die in ihrer kurzen Rede betonte, wie wichtig es sei, an die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu erinnern. Sie zeigte sich sehr beeindruckt, dass so viele Schülerinnen und Schüler aktiv an der Veranstaltung teilnahmen und damit die Geschichte für sie erfahrbar wird.

Auch für den Spengler Jacob Rexroth wurde ein Stolperstein verlegt, denn Kommunisten gehörten zu den ersten Opfern der Nationalsozialisten. Am 17. Januar 1937 wurde er verhaftet, ins Untersuchungs­gefängnis in Frankfurt-Preungesheim gebracht und des Hochverrats angeklagt. Zwei Wochen später, bevor es zur Verhandlung kam, war Jacob Rexroth tot. Es ist anzunehmen, dass er misshandelt und gefoltert wurde, da er im Verdacht stand, als Kassenwart für die KPD in Oberursel fungiert zu haben. Die Patenschaft für den Stolperstein von Jacob Rexroth hat die Partei „Die Linke“ übernommen. Anwesend war auch Kristin Becker-Grünewald, Tochter von Paul Grünewald, welcher der Witwe von Jacob Rexroth geholfen hat, Entschädigung für politisch, rassisch und religiös Verfolgte zu erhalten. Er war auch Mitbegründer der KPD Oberursel.

Die Feldbergschule in Oberursel hat die Patenschaft für alle Stolpersteine übernommen und das Thema als „Schule gegen Rassismus und Schule mit Courage“ im Unterricht fest verankert, um sich dafür einzusetzen, dass es nie mehr zu Ausgrenzung und Verfolgung aus rassistischen oder politischen Motiven kommen darf. Die Schülerinnen und Schüler trugen an allen drei Wohnorten Beiträge zu den persönlichen Schicksalen vor. Sie lasen aus einem Grußwort eines Enkels von Theodor Creizenach und erklärten die Wichtigkeit des Einstehens für die eigene Meinung auch gegen Widerstände und gegen jegliche Ungerechtigkeit.

Musikalisch umrahmt wurden die Verlegungen vom einfühlsamen Geigenspiel der Schülerin Johanna Mohr vom Gymnasium Oberursel, welche das Thema aus dem bekannten Film „Schindlers Liste“ und den „Winter“ aus Vivaldis Vierjahreszeiten ausgewählt hatte.

Die ersten Verlegungen von insgesamt 13 Stolper­steinen in Oberursel fanden am 3. März 2022 unter Mitwirkung des Künstlers und Initiators des Projekts „Stolpersteine“, Gunter Demnig, und am 09.11.2022 statt. Mehr dazu erfahren Sie in einem Video unter www.oberursel.de/erinnerungskultur.

Spenden von Bürgerinnen und Bürgern sind weiterhin willkommen, ohne die das Projekt nicht hätte umgesetzt werden können. Spendenkonto der Stadt Oberursel bei der Taunus-Sparkasse:

IBAN DE65 5125 0000 0007 0015 92 mit dem Stichwort „Stolpersteine“.

Weitere Informationen zum Projekt Stolpersteine" finden Sie unter: www.stolpersteine.eu  und unter www.oberursel.de/erinnerungskultur.

 

Antje Runge

Bürgermeisterin